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 Kompetenz-Netzwerk
Gefährdungsbeurteilung psychische Belastung (PGB) § 5, ArbSchG i.G.
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Ist die Integration der Gefährdungsbeurteilung in den allgemeinen Arbeitsschutz eigentlich sinnvoll?

Ist die Integration der psychischen Gefährdungsbeurteilung in den allgemeinen Arbeitsschutz sinnvoll?

Wir halten diese Frage für mitentscheidend für den Erfolg einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung. Es gibt Befürworter für eine derartige Integration, und es gibt natürlich auch Befürworter, die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung vom allgemeinen Arbeitsschutz konzeptionell, strukturell und organisatorisch zu trennen.

Schauen wir uns die Argumente an:

Für eine Integration werden u.a folgende Argumente herangezogen

  • Beide Bereiche der Gefährdungsbeurteilung sind Bestandteile der Arbeitsschutzgesetze, insbesondere des § 5, Arbeitsschutzgesetz
  • Es gibt eine gewisse Schnittmenge zwischen beiden Bereichen:
    • Schwer heben, tragen, stemmen
    • Lärm, laute Geräusche
    • Chemikalien, Gefahrstoffe
    • Zugluft, Extremtemperaturen, schlechte Luft, Rauch
    • Grelles oder schwaches Licht
Zweifellos haben diese Faktoren einen Einfluss auch auf die psychische Gesundheit der Mitarbeiter.


  • In vielen, speziell größeren Unternehmen und Organisationen stehen in der Regel und schon seit langem Fach-Kapazitäten, wie Sicherheitsbeauftragte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit oder Betriebsärzte  zur Verfügung, denen man – idealerweise unterstützt durch gezielte Weiterbildungs-Maßnahmen - die sachgerechte Analyse, Bewertung und Beseitigung von möglichen psychischen Fehlbelastungen zutrauen könnte.
  • Bei der behördlichen Prüfung von Unternehmen und Organisationen im Hinblick auf den Arbeitsschutz wird für die beiden Gefährdungsbereiche (physisch und psychisch) dasselbe Personal eingesetzt.
  • Gegen eine Integration werden folgende Argumente herangezogen:

  • Im Gegensatz zu physischen Belastungen können psychische Belastungen nicht eindeutig gemessen werden
o    Es gibt keine Messverfahren
o    Es gibt keine gesetzlich vorgeschrieben Grenzwerte
  • Die Vermeidung von physische Fehlbelastungen ist mittlerweile eine Selbstverständlichkeit. Dagegen ist die Vermeidung von psychischen Fehlbelastungen noch lange keine Selbstverständlichkeit und lässt einen großen Spielraum für deren Bewertung.
  • Die von der GDA, der BAuA und Berufsgenossenschaften empfohlenen und von den Prüfbehörden für die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung übernommenen Kriterien zur Analyse, Beurteilung und Optimierung von Einzel-Merkmalen umfassen sehr unzureichend die wahren Ursachen von psychischen Fehlbelastungen wie beispielsweise
o    das Führungssystem und die Führungsleitlinien
o    die Unternehmens-Strategie
o    Unternehmens-Werte und -Philosophie

Es wird allgemein davon ausgegangen, dass allein das Verhalten von Führungskräften in der Größenordnung von 70-80% ausschlaggebend für die psycho-sozialen Verhältnisse sind, in denen Beschäftigte arbeiten.

Mit der Beurteilung der obigen Faktoren sind die klassischen Funktionsbereiche für Arbeitssicherheit entweder überfordert oder sie sehen es nicht als ihre Aufgabe an.
  • Physische Belastungsfaktoren wie der Umgang mit Gefahrstoffen oder Lärm quasi auf eine Ebene mit psychischen Belastungen zu stellen, ist unpassend
o    Es gibt keinen Arbeitsplatz auf dieser Welt ohne eine mehr oder weniger ausgeprägte psychische Belastung. Entscheidend ist, wie diese psychische Belastung von dem Individuum in Abhängigkeit von persönlichen und betrieblichen Ressourcen aufgenommen und verarbeitet wird ("Psychische Beanspruchung").
o    Die psycho-sozialen Verhältnisse in Unternehmen und Organisationen sollten möglichst nicht vom individuellen Verhalten von Beschäftigten getrennt werden. Verhältnisse und Verhalten sind zwei Seiten ein und derselben Medaille.

  • Psychische Fehlbelastungen bei Führungskräften und Mitarbeitern haben eine in der Regel deutlich höhere Bedeutung für den Erfolg eines Unternehmens in den von ihnen frequentierten Absatz- und Personalmärkten als etwa Probleme im allgemeinen Arbeitsschutz.
Wir als Bundesverband plädieren für eine durchgehende Trennung der beiden Bereiche der Gefährdungsbeurteilung. Vielmehr plädieren wir für deren Integration in die Bereiche Organisationsentwicklung und in das Betriebliche Gesundheitsmanagement.

Integration in die Organisationsentwicklung ("OE")?
Organisationsentwicklung untersucht und behandelt Beziehungen, Verhalten und Einstellung gegenüber dem Individuum, der Arbeitsgruppe, anderen Arbeitsgruppen und der Organisation als Ganzem. Mabey und Pugh nennen fünf kennzeichnende Merkmale der OE:]


  • OE ist ein breit angelegter, andauernder, mittel- bis langfristiger Ansatz.
  • OE basiert auf Erkenntnissen und Methoden der Verhaltenswissenschaften.
  • OE ist prozessorientiert (kontrastiert zu zielorientiert).
  • OE erfordert eine Moderation.
  • OE ist partizipativ.
Demzufolge bedeutet Organisationsentwicklung eine Förderung des Humankapitals. Dabei werden die Gesetzmäßigkeiten sozialer Gemeinschaften genutzt und (wie beim HR-Ansatz) die Interessen der Mitarbeiter berücksichtigt.

Gegenstand der Veränderungen im Zuge der Organisationsentwicklung sind nicht nur technische und organisatorische Strukturen und Abläufe, sondern auch zwischenmenschliche Kommunikations- und Verhaltensmuster sowie die in der Organisation herrschenden Normen, Werte und Machtkonstellationen (Organisationskultur).

Bei allen Veränderungen werden dabei gleichwertig die „menschliche Befriedigung“ und „optimale Aufgabenerfüllung“ angestrebt. Dabei festgestellte Probleme bei einzelnen Subsystemen, Gruppen oder Personen werden nicht isoliert betrachtet, sondern immer auf Zusammenhänge mit der organisatorischen und gesellschaftlichen Umwelt untersucht und behandelt.

Beispiele für organisationsinterne Veränderungen


  • Optimierung von Arbeitsabläufen, insbesondere zur Vermeidung von Informationsverlusten an Schnittstellen.
  • Zielführende Neuausrichtung von Machtstrukturen in Teams.
  • Humanisierung der Arbeitswelt über eine höhere Identifikation und Selbstverwirklichung.
  • Erhöhung der Flexibilität, Veränderungsbereitschaft und Innovationsfähigkeit.
  • Verbesserung der Motivation der Mitarbeiter durch verschiedene Bündel von Maßnahmen.
Fazit: Zwischen den Funktionen der Organisationsentwicklung und der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung besteht eine große Schnittmenge, zudem sind die Ziele beider Ansätze praktisch deckungsgleich.

Integration in den Marketing-Bereich?

Dies wäre sicherlich eine ungewöhnliche Vorgehensweise, aber es gibt ernstzunehmende Argumente dafür:

  • Die Qualität des Human-Kapitals, hier insbesondere die psychische Gesundheit und Motivation von Führungskräften und Mitarbeitern hat den Stellenwert eines "fünften Marketing-Faktors" innerhalb des Marketing-Mix und ist zumindest als gleichwertig anzusehen mit den klassischen Marketing-Faktoren "Produkt", "Preis", "Promotion" und "Place". Probleme in den psycho-sozialen Verhältnissen eines Unternehmens müssen durch Zugeständnisse bei den anderen Marketing-Faktoren kompensiert und damit bezahlt werden. Dies gilt auch umgekehrt: Stärken bei den psycho-sozialen Verhältnissen entlasten die anderen Marketing-Faktoren.
  • Viele Marketing-Strategien berücksichtigen nur unzureichend die bei deren Umsetzung entstehenden psychischen Fehlbelastungen bei den Beschäftigten, oft durch die fehlende Kommunikation mit den am Point-of-Sales" eingesetzten Beschäftigten.
  • Es gibt eine wohlfundierte Strategie bezüglich der Mitarbeiterführung:
„Wir wollen unsere Mitarbeiter und Führungskräfte wie unsere Kunden behandeln“

Unternehmen, die sich an diesem Leitbild orientieren haben erkannt, dass Mitarbeiterzufriedenheit und Kundenzufriedenheit zwei Seiten ein und derselben Medaille sind. Für die Realisierung dieses Leitbildes ist neben der Unternehmensleitung in der Regel der Marketingbereich zuständig:

  • Mit hohen Investitionen im Bereich der Marktforschung werden Kundenprobleme analysiert, um in der Folge zielgenaue Problemlösungen entwickelt und angeboten werden
  • Mit ebenso hohem Aufwand werden Kundenwünsche ermittelt, um die „Blackbox-Kunde“ transparenter zu machen und ihn wirkungsvoller ansprechen zu können.
  • Nur in den wenigsten Unternehmen und Organisationen werden solche  durchaus sinnvolle Aktivitäten auch für Führungskräfte und Mitarbeiter unternommen. Ab und zu eine Mitarbeiterbefragung zu machen und die Ergebnisse – weil sie angeblich nicht umsetzbar sind - in den Schubladen verschwinden zu lassen, ist sinnlos.
Fazit: Wir empfehlen, in den Steuerungs-Kreis, der für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung verantwortlich ist, einen kompetenten Mitarbeiter aus dem Marketing zu integrieren.
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